00:00:00: In dieser Folge des Kinderschutz-Podcasts spreche ich mit Jutta Reichelt, die Autorin von Mein Leben war nicht, wie es war.
00:00:08: Sie sagt, ich erzähle nicht nur meine Geschichte, sondern auch Geschichten wie meine.
00:00:15: Und sie, verehrte Zuhörende, können gespannt sein, was sie uns mit ihrer Geschichte zu erzählen hat.
00:00:23: Kinder-Schutz-Podcast.
00:00:26: Wir hören von den Menschen, die Kinder und Jugendliche schätzen, schützen und starten.
00:00:31: Wir schauen in die Schubladen, die sonst geschlossen bleiben.
00:00:35: Wir liefern wertvolle Informationen und Tipps, damit wir hinhören.
00:00:40: Der Kinder-Schutz-Podcast.
00:00:43: Meine lieben Zuhörer und Zuhörerinnen, ich darf Sie zu einer weiteren Folge des Kinder-Schutz-Podcasts begrüßen.
00:00:51: Mein Name ist Jerome Braun.
00:00:53: Und ich freue mich sehr, heute ein ganz besonderes Gespräch mit Jutta Reichelt hören zu dürfen.
00:01:02: Jutta ist Schriftstellerin und hat das Buch geschrieben, Mein Leben war nicht wie es war.
00:01:08: Ein autobiografisches Essay, das über die Überwindung der Sprachlosigkeit, den langen Weg zur eigenen Geschichte und natürlich um das Schreiben als Form.
00:01:23: des Überlebens sich dreht.
00:01:25: Ja, Jutta, wir haben uns auf das Du auch geeinigt.
00:01:29: lebt als Schriftstellerin und Geschichtenanstifterin in Bremen.
00:01:35: Ihre Texte wurden tatsächlich auch mehrfach ausgezeichnet.
00:01:38: Bereits in den Wirtpreis Erhielt sie den Wirtpreis.
00:01:40: In den Wirtpreis Erhielt sie den Wirtpreis.
00:01:42: In den Wirtpreis Erhielt sie den Wirtpreis.
00:01:43: In den Wirtpreis Erhielt sie den Wirtpreis Erhielt sie den Wirtpreis Erhielt sie den Wirtpreis Erhielt sie den Wirtpreis Erhielt sie den Wirtpreis.
00:01:47: Erhielt sie den Wirtpreis.
00:01:48: Erhielt sie den Wirtpreis.
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00:01:50: Erhielt sie den Wirtpreis.
00:01:51: Erhielt sie den Wirtpreis.
00:01:51: Erhielt sie den Wirtpreis.
00:01:52: Erhielt sie den Wirt oder der Möglichkeit Sinn.
00:01:55: Ja, herzlich willkommen, liebe Yuta.
00:01:57: Ich freue mich sehr, dass wir heute gemeinsam sprechen.
00:02:00: Vielen Dank, vielen Dank für die Einladung und die nette Begrüßung jetzt.
00:02:04: Ich freue mich auch sehr.
00:02:06: Also, ich fang bei deiner... Vorstellung.
00:02:11: jetzt dieses Wort, dieses Attributgeschichten an Stifterinnen, so toll.
00:02:17: Also da stolper ich natürlich gleich drüber und mich würde wahnsinnig interessieren, was du selbst darunter verstehst.
00:02:26: Für mich klingt es ja tatsächlich so ein bisschen auch nach Rebellion.
00:02:29: Liege ich da richtig?
00:02:31: Ja, das ist eigentlich ein schöner Gedanke und vielleicht trifft es auch insofern.
00:02:39: Weil ich die Erfahrung gemacht habe, ich bin halt ganz unterschiedlichen Orten unterwegs, wo ich Schreibworkshops anleite oder wo ich Schreibprojekte durchführe an Schulen, an Museen, an eher klassischen Orten wie Volksverschulen, sowas irgendwie.
00:02:57: Und ich habe die Erfahrung gemacht, dass es tatsächlich, jetzt gerade, wenn es ums autobiografische Schreiben geht, so ein bisschen Anstiftung, auch braucht, insofern, weil ganz viele Leute sich fragen, ob sie das überhaupt dürfen.
00:03:13: Also eher Frauen zugegebenermaßen.
00:03:18: Und als mir diese Frage das erste Mal gestellt wurde, da habe ich das gar nicht richtig verstanden und dachte, es ginge um die ... Also, da hat wirklich eine Frau gefragt, sie würde sich immer fragen, darf ich das?
00:03:28: Und dann hab ich gedacht, es ginge um die Frage der Veröffentlichung, um juristische Fragen und bin so ein bisschen ausweichend, weil mir das auch nicht immer so ganz klar ist, was man da jetzt wirklich darf und was nicht.
00:03:38: irgendwie.
00:03:39: Habe ich darauf reagiert und dann hat sich aber rausgestellt, es ging wirklich nur um die Frage, darf ich mir die Zeit nehmen, darf ich den Raum für mich beanspruchen, meine Geschichte aufzuschreiben?
00:03:50: Und das ist mir sehr ... Seitdem in Erinnerung geblieben und dieses Geschichten anstiften, ist einfach auch so eine Idee und eine Freude, die ich daran habe, Leute, egal welchen Alters, Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Ältere, darin zu unterstützen, hey, macht, schreibt auf, autobiografisch oder nicht, ganz egal, aber macht ruhig mal.
00:04:13: Das dürft ihr, und das macht ganz Spaß machen.
00:04:16: Und man muss sich davon auch nicht von... von so vielen Gedanken an regeln und richtig und falsch verrückt machen lassen.
00:04:22: Und wahrscheinlich auch gar nicht, so würde ich das jetzt interpretieren, schrei professionell, wie du das ja machst als Schriftstellerin, sondern... Schreib einfach, was dir in den Kopf kommt, wenn es dir gut tut.
00:04:39: Ganz genau.
00:04:40: Für genau das hab ich für mich so ein Bild irgendwie schreiben oder eine Formulierung schreiben, wie spazieren gehen.
00:04:47: Wenn wir spazieren gehen, kommt auch niemand auf die Idee, sich zu fragen, ja, wenn ich dann zurückkomme, hab ich das gut gemacht, war ich heute eine gute Spaziergängerin.
00:04:55: Und so genau, so können wir auch schreiben, weil es uns gut tut, weil wir Spaß dran haben und irgendwie das ... versuche ich sehr, dafür zu werben, dass man sich diese Form des Schreiben so ein bisschen zurückerobert.
00:05:07: Für viele ist die Schule einfach so ein Ort, wo das dann eben, wo das Schreiben so sehr mit Regeln und der Vorstellung von richtig falsch irgendwie, ich sag mal, kontaminiert worden ist.
00:05:18: Dass es halt eine manchmal wirklich große Aufgabe ist, sich das wieder so als etwas Freies zurückzuerobert.
00:05:25: Aber es ist toll, wenn es gelingt, und es gibt ja auch viele, denen das ... den das Spaß macht.
00:05:30: Ich glaube, da könnte man einen eigenen Podcast drüber machen, über das Thema schreiben und die Wichtigkeit dessen, wenn wir uns angucken, wie heute geschrieben wird.
00:05:40: Man schreibt ja gar nicht mehr selbst, sondern lässt schreiben und wo geht das hin und hat man da überhaupt noch Raum für eigenen Gedanken und eigene Kreativität.
00:05:54: Aber ich glaube, das wäre ein ganz eigener Podcast wahrscheinlich.
00:05:59: Ja, wir wollen ja heute natürlich über dein Buch sprechen.
00:06:06: Und da ist mir natürlich und das passt eigentlich auch ganz gut der Gedanke gekommen.
00:06:14: Wir bekommen auch immer mal wieder Anfragen von Menschen, die betroffen sind.
00:06:20: von sexualisierter Gewalt und vielleicht auch eine Unterstützung haben möchten, um ein Buch zu finanzieren und es gibt ja ganz viele kreative Prozesse sich mit der eigenen Lebensgeschichte der Betroffenheit von sexualisierter Gewalt auseinanderzusetzen.
00:06:38: Jetzt hast du aber ja auch eine professionelle Perspektive eben als Schriftstellerin und das ist ja was Besonderes.
00:06:50: war das eigentlich ein Konflikt für dich sozusagen auf der einen Seite Betroffene zu sein und auf der anderen Seite Schriftstellerin?
00:06:58: Ich glaube nicht.
00:06:59: Also... Also sagst du, vielleicht hab ich auch einen Seechen noch gar nicht genau, worauf du hinhaushilfst?
00:07:07: Ob du das abgrenzen konntest oder war das in dem Fall natürlich gar nicht notwendig.
00:07:13: Aber man ist ja als professionelle Schriftstellerin unterwegs, hat vielleicht auch bestimmte Ziele mit einem Buch.
00:07:19: Aber man verarbeitet in deinem Fall jetzt natürlich auch die eigene Geschichte.
00:07:24: Und gab es da irgendwie Konflikte oder war das einfach nur hilfreich?
00:07:28: Also zunächst mal ist es ja so, dass das schon was sehr verbreitet ist, dass es irgendwie autobiografische, autofiktionale Texte gibt und also insofern ist es ja eigentlich dann auch nicht so ungewöhnlich.
00:07:44: in meinem konkreten Fall, was das Buch betrifft, war es insofern ein bisschen ungewöhnlich, weil das Thema, was mich am meisten interessiert hat und was dazu geführt hat, dass ich dieses Buch überhaupt geschrieben habe, das ist etwas, was ich Lebensgeschichtslosigkeit nenne.
00:07:59: Also Menschen, die aus ganz unterschiedlichen Gründen nicht so wie andere über eine Lebensgeschichte verfügen.
00:08:06: Und als ich das Buch vor ungefähr zehn Jahren begonnen habe zu schreiben, da habe ich selber noch gar nicht so richtig begriffen, wie das eigentlich sein kann und warum ich, obwohl ich mittlerweile irgendwie relativ gut wusste, was passiert war und ich auch nicht mehr davon irgendwie mich sehr beschämt gefühlt habe.
00:08:24: warum ich das trotzdem immer noch nicht so halbwegs in die Form einer Lebensgeschichte bringen konnte.
00:08:30: Und der Frage wollte ich nachgehen.
00:08:31: Und ich hab viel gelesen und mir viel Gedanken gemacht darüber, was wir eigentlich machen, denn wir über unsere Lebensgeschichten erzählen.
00:08:40: Und das zum Beispiel, das war mir eben vorher auch nicht klar, dass das, was wir dann machen, mehr zu tun hat, tatsächlich mit dem Erzellen von Geschichten, als damit, dass wir irgendwie wirklich ... unser Leben, so wie es war, auf eine halbwegs angemessen, eins zu eins Weise wiedergeben.
00:09:01: Und es war mir schon klar, ich kann diese für manche kühne These, dass sich manches Leben nicht in die Form einer Geschichte bringen lässt.
00:09:09: Ich kann die nur halbwegs glaubwürdig und das Volk bringen, wenn ich meine eigene Situation damit reinbringe.
00:09:18: Sonst wird's irgendwie ein bisschen absurd.
00:09:22: Und bei meiner Lebensgeschichte war es jetzt nun mal halt so, dass da sexualisierte Gewalt in der Familie Übergriffe durch meine Vater eine Rolle gespielt, eine ganz zentrale Rolle gespielt haben.
00:09:33: Und ich hab schon so einen Konflikt empfunden, manchmal, dass ich dachte, okay, aber dieses Thema, das ist so groß, und das schiebt sich immer so nach vorne, dass ich eigentlich für dieses andere, für mein eigentliches Thema, für die Lebensgeschichtslosigkeit irgendwie ... dass es schwer ist, den Raum zu geben, den es für mich eigentlich hat.
00:09:55: Und ich erlebe schon auch jetzt bei den Rückmeldungen, dass das tatsächlich so ist.
00:10:02: Also, dass natürlich wirklich viele Leute mit diesem Missbrausthema vor allen Dingen etwas anfangen können, das andere in den Hintergrund tritt.
00:10:11: Aber das ist auch okay.
00:10:14: Und es gibt natürlich auch andere Leute, die sich wiederum eher für diesen Strang rund ums Erzählen interessieren.
00:10:21: War das Buch für dich oder ich weiß nicht, ob du es auch als Projekt bezeichnest, weil zehn Jahre ist ja auch ein Zeitraum, wo man braucht.
00:10:35: War das so ein Schreiben dürfen oder ein Schreiben müssen in irgendeiner Form?
00:10:41: Das ist so, ich muss mich jetzt mit meiner Geschichte beschäftigen und das Schreiben hilft mir dabei.
00:10:50: Oder war das so ein bisschen vielleicht eher auch befreiend, auch ich darf jetzt schreiben, weil ich es auch kann?
00:10:56: Also ich glaube, es war wirklich beides.
00:10:59: Es war schon sehr aufschreiben müssen.
00:11:02: Es war schon so, dass ich das Gefühl hatte, ich habe über vielleicht Jahrzehnte sogar Material angesammelt, ohne selber zu verstehen, dass ich mich offensichtlich eigentlich auf das Schreiben dieses Buches oder jedenfalls auf das Verstehen dessen, was in meinem Leben passiert, das vorbereitet habe.
00:11:23: Und ich glaube, dass Menschen sich einfach sehr darin unterscheiden, was sie benötigen, um über ... traumatisierende Ereignisse irgendwie vielleicht hinwegzukommen.
00:11:35: Und es gibt eben Menschen, um zu denen gehöre ich da, für die ist es ganz offensichtlich, zentral irgendwie zu verstehen, was da passiert ist und sich eine Vorstellung von dem machen zu können.
00:11:48: Und insofern war das, glaube ich, tatsächlich beides.
00:11:51: Also ich musste es machen.
00:11:52: Ich hatte auch wirklich das Gefühl, das ist was, was ich in meinem Leben schaffen muss.
00:11:57: Und ich habe auch jetzt immer noch das Gefühl, Toll, alles andere ist so ein bisschen Zugabe.
00:12:04: Aber es war auch ein Ring, um das ich kann es jetzt auch.
00:12:08: Also es hat zehn Jahre gedauert, weil es eben mit dem Können auch nicht ganz so einfach war, aber ... Ja.
00:12:16: Ich finde ... Aber eigentlich eine schöne Lustfolgerung, wenn man sagt, alles, was jetzt kommt, ist Zugabe.
00:12:25: Und man hat es geschafft, das finde ich ... ist ja auch etwas, was vielleicht auch anderen Mut macht und motiviert sich mit seiner eigenen Geschichte zu befassen.
00:12:38: Sehr spannend.
00:12:41: Der Titel, da müssen wir natürlich drauf eingehen, weil er ja so ein bisschen auch irritierend vielleicht sein kann.
00:12:48: Klar, mein Leben war nicht, wie es war.
00:12:53: Wann war dir klar, dass es sozusagen dieser Titel sein muss?
00:12:57: Weil ist ja immer die Frage der Titel kommt vielleicht immer am Schluss.
00:13:00: Genau, das ist tatsächlich ganz, ganz spät passiert.
00:13:05: Ich habe für diesen Text unterschiedliche Titel in der Zeit es anstehends gehabt und zum Teil auch sehr gemocht, also auch gerade diese Lebensgeschichtslosigkeit.
00:13:15: war für mich lange Zeit ganz klar, wäre der Titel gewesen und es gab dann aber noch mehrere Anden zwischendurch.
00:13:21: Und es ist dann ganz am Ende, es ist tatsächlich eine Idee der Lektoren gewesen, ob das nicht eigentlich der Titel wäre.
00:13:32: Und dann habe ich gedacht, ja meine Güte, warum ist mir das dann nicht selbst eingefallen?
00:13:35: Natürlich, das muss der Titel sein.
00:13:39: Das ist dann wahrscheinlich so wie ... Nicht die Nadel im Heuhaufen, sondern einfach durch den Prozess kam's dann wahrscheinlich.
00:13:48: Und ist dann auch am Ende schlüssig.
00:13:51: Für dich vor allem, das ist ja das Entscheidende, dass es für die Autorin schlüssig ist.
00:13:58: Ich hab mir jetzt gerade überlegt, es ist jetzt ziemlich warm draußen.
00:14:01: Für viele Menschen steht der Urlaub vor der Tür.
00:14:05: Und man überlegt sich, welche Lektüre nimmt man denen jetzt mit?
00:14:09: um am Strand liegend vielleicht das ein oder andere Buch zu lesen.
00:14:15: Ich vermute, man würde jetzt nicht in erster Linie oder im ersten Augenblick auf dein Buch kommen.
00:14:22: Klar, das Thema als solches generell die Menschen schieben sowieso im Urlaub die negativen Dinge oder die belastenden Dinge weg, aber natürlich auch das Thema.
00:14:37: Warum muss man denn keine Angst haben, dein Buch zu lesen?
00:14:43: Ich bekomme ja relativ oft auch jetzt Reaktionen von Menschen, die das Buch gelesen haben.
00:14:48: Und es ist schon, glaube ich so, es geht vielen so, dass sie sich das vorher schwieriger vorgestellt haben, als es dann tatsächlich war.
00:15:01: Also es ist ja so, ich ... Schreibt das auch in der Einheitung.
00:15:05: Ich möchte vom Unglück erzählen, ohne es zu verlängern.
00:15:09: Das ist mir einfach unheimlich wichtig.
00:15:10: Und das ist natürlich bei schwierigen Themen so eine Sache und je nachdem, was Leute selber erlebt haben.
00:15:18: kann das sie natürlich triggern und kann irgendwie auch zu... Also deswegen will ich jetzt auch gar nicht sagen, dass kann jeder am Strand lesen.
00:15:25: Das gibt sicherlich Leute, für die das keine geeignete Strand legt, Juris.
00:15:28: Aber ich glaube, es gibt tatsächlich eben aber auch Leute, die schreiben mir eben auch, sie hätten es so spannend gefunden, dass sie es in einem Rutsch durchgelesen hätten und sie hätten zwischendurch auch lachen müssen und sie würden hoffen, dass wäre okay.
00:15:40: Und das ist natürlich völlig okay.
00:15:43: Also ich... glaub schon, dass ich das aus einer relativen Distanz geschrieben habe und dass ich schon auch immer geguckt habe.
00:15:59: Wie mag es für Lesern sein?
00:16:01: Aber da will ich gerne mal, die Zeit nehmen wir uns mal ein paar Rückmeldungen auch vorlesen, weil ich das einfach so schön finde und die auch tatsächlich auch aus profundem Munde kommen.
00:16:16: Und die Zeit nehme ich mir jetzt mit dir gerne.
00:16:19: Und du hoffentlich hörst es auch immer wieder gerne.
00:16:22: An
00:16:22: mir soll es nicht scheitern.
00:16:25: Also da heißt es zum Beispiel, Jutta Reichelt schreibt so klar, so unverstellt und gleichzeitig so elegant.
00:16:32: Es ist unmöglich, nicht beeindruckt, von diesem Text zu sein.
00:16:36: Das schreibt Sophie Weigand, Literatur-Tourist.
00:16:40: Dann gibt es eine Aussage, dieser Essay baut mit seiner Reflexionstiefe eine Brücke zu besserem Verstehen und macht vor allem Jutta Reichelt als kraftvolle und inspirierende Wortgestalterin, auch wieder ein schönes Wort, ihrer eigenen Geschichte
00:16:55: ist nicht
00:16:56: wahr, schreibt das Textwerk Bremen, die Stefanie Schäfers.
00:17:00: Ein Buch, das die wieder etwas ruhiger gewordenen Methodebatte, da frage ich gleich was dazu, im Land wiederbeleben könnte und dem viele Leserinnen das auch wünschen, sagt der Axel Stieler.
00:17:18: Vielleicht gerade an der Stelle war das auch ein Ziel von dir zu sagen, ich möchte da auch was lostreten.
00:17:32: Ich meine, die Themen heutzutage, wenn sie dann irgendwann mal verstummen, vielleicht auch viel zu schnell.
00:17:40: Also ich merke schon, dass mir das ein großes Anliegen ist, was eben in das Buch eingeflossen ist, aber was ich ja so einfach auch als Person ... habe oder vertrete, dass es möglicher wird, dass es ein bisschen einfacher wird, über dieses Thema zu reden, über Missbrauch, über sexualisierte Gewalt.
00:18:01: Und es ist eben, da kommen wir vielleicht auch noch zu, also zu diesen irgendwie immer noch schrägen Vorstellungen, die so gesellschaftlich relativ weit verbreitet sind, gehört eben auch, dass immer noch übersehen wird, dass ein wirklich gro... der größte Teil sexuellen Übergriffe finden, was Kinder und Jugendliche betrifft, in Familienstadt.
00:18:23: Und trotzdem, und wir wissen mittlerweile alle, die sich dafür interessieren, kennen diese Zahl ein bis zwei.
00:18:31: Kinder pro Schuhklasse vermutet, man sind betroffen.
00:18:35: Das ist auch durch Untersuchungen erhärtet.
00:18:37: Also es ist wirklich ein, wenn man davon sagt, die meisten Erlebnisse in der Familie.
00:18:42: Wir sind davon umgeben und wir gehen aber immer noch, glaube ich, dieser Erkenntnis aus dem Weg, dass wir nicht nur jeder, jeder Kinderjugendliche kennen, sondern oder Menschen kennen, den das widerfahren ist, sondern dass wir auch TäterInnen kennen, dass wir die Partnerinnen von TäterInnen kennen und so weiter.
00:19:03: Und das ist eben immer noch, und ich glaube, dass das auch wirklich gerade unter dem Prävisionsaspekt unglaublich wichtig ist, sich das klarzumachen.
00:19:11: Und ob jetzt das Wort enttabuisieren, das richtig ist.
00:19:14: Aber es muss möglicher werden, darüber zu reden.
00:19:17: Und es muss möglicher werden, dass wir da nicht immer sofort einen roten Kopf bekommen oder das Gefühl haben, oh Gott, das geht ja gar nicht.
00:19:24: Oder es muss auch möglich sein, dass Betroffene erwähnen, dass sie sexualisierte Gewalt erfahren haben.
00:19:31: ohne dass das Gegenüber so reagiert, dass man das tröst und sagen muss, ja, hier kommen.
00:19:36: Also, so schlimm war es dann auch wieder nicht.
00:19:39: Also, all diese Situationen, die sind momentan noch sehr häufig und normal.
00:19:47: Und da gibt es ja auch Gründe für.
00:19:48: Und ich finde es auch immer, gerade wenn etwas häufig und vergleichsweise normal ist, dann ist es blöd, die einzelnen Leute dafür irgendwie zu dissen.
00:19:55: Aber es ist trotzdem wichtig, glaube ich, dass wir da weiterkommen und ich habe die große Hoffnung und was die Rückmeldung betrifft, auch mittlerweile die Zuversicht, dass mein Buch einfach dazu beitragen kann und dass es auch, das merke ich bei Lesung, einfach auch eine gute Ausgangsbasis ist, um miteinander ins Gespräch zu kommen.
00:20:14: und das freut mich sehr
00:20:15: an.
00:20:16: Ich finde ich total zentral und irgendwie... trägt es dazu bei, irgendwie diese Normalität einfach in die Thematik reinzubringen, weil sie ist gefühlt einfach noch nicht da, wenn auch der Umgang mit Menschen, die betroffen sind.
00:20:36: Das kennen wir ja alle, ob, ja, das kann man, glaube ich, mit körperlichen Behinderungen oder ähnliches gleichsetzen.
00:20:42: Oh Gott, helfe ich jetzt dem Rollstuhlfahrer oder helfe ich ihm nicht?
00:20:48: Wenn ich den jetzt anspreche, findet er das gut oder nicht?
00:20:51: Also, wir haben da ja immer diese Barrieren.
00:20:54: Und ist mir jetzt gerade so eingefallen, weil ich gestern tatsächlich am Bahnhof einen Menschen gesehen habe, der blind war mit seinem Stock.
00:21:05: eine Riesengrout von Menschen.
00:21:06: Ich hab ihn einfach dann gefragt, ob kann ich ihn helfen?
00:21:10: Ach nee, danke, ich kenn meinen Weg.
00:21:12: Aber der war total dankbar, dass wir ein cooles Gespräch gehabt haben.
00:21:16: Und ich glaube, wir brauchen viel mehr Normalität auch, um mit dem Thema umzugehen.
00:21:23: Absolut.
00:21:23: Ganz, ganz großes, ganz, ganz große Zustimmung von dir, ja.
00:21:27: Ja.
00:21:30: Ich will aber noch zwei weitere vorlesen, weil die gefallen mir auch sehr gut.
00:21:35: Ich finde das Buch großartig.
00:21:37: Es ist extrem angenehm zu lesen, auch für die, die am Strand liegen, meine Anmerkung.
00:21:43: Das Thema ist schwer und schockierend, aber darum geht es der Autorin nicht und das merkt man auch beim Lesen.
00:21:50: Es geht um den Weg, um die Rückeroberung der Lebensgeschichte, von dem sie berichten.
00:21:57: möchte eine Reise, aber kein Katastrophentourismus.
00:22:01: Da hatten wir es ja auch gerade davon.
00:22:03: Das ist von einer Emerson-Rezension von der Poly.
00:22:09: Ja, die Aussagen hast du selbst gesagt.
00:22:12: Die bedeuten dir schon auch sehr, sehr viel.
00:22:16: Sie zahlen, das ist mir so ein bisschen aufgefallen, sowohl auf die Schriftstellerin ein, als auch auch die Vertreterin von betroffenen sexualisierter Gewalt, so würde ich das sehen.
00:22:31: Willst du das tatsächlich auch beides dann sein?
00:22:38: Also ich bin, naja, ich bin schon für mich meinem eigenen Verständnis nach, bin ich absolut, bin ich Autorin und bin aber... Also, ich kenne mich auch jetzt gar nicht gut aus in der, ich sag jetzt mal, betroffenen Szene.
00:22:54: Ein bisschen habe ich jetzt in den letzten Monaten mich da umgeschaut und find ganz vieles unter mich wichtig, was da passiert.
00:23:03: Finde es toll, wenn Leute sich engagieren, aber das ist bei mir einfach auch zeitlich gar nicht möglich.
00:23:11: Und das ist so, ich hab das Gefühl, dass mit dem Buch und damit, dass ich damit rausgehe, das ist so ... einen Beitrag, den ich leisten kann.
00:23:19: Ja, ist ja auch spannend.
00:23:20: Das heißt, du hast jetzt nicht die Ambition zu sagen und jetzt werde ich stärker in der Öffentlichkeit oder so zu dem Thema präsent sein.
00:23:31: Kann natürlich ja passieren, wenn vielleicht der ein oder andere TV-Talk oder sowas anruft und dich in die Öffentlichkeit bringt.
00:23:41: Genau, wer weiß, wer alles euren Podcast hört.
00:23:44: Ja, ja, gut.
00:23:47: Du warst ja schon in einigen, auch ein bis zwei.
00:23:50: eine tolle Folge, kann ich nur empfehlen.
00:23:53: Bitte gerne auch reinhören, liebe Zuhörende.
00:23:57: Auch da gibt es zum Beispiel auch Leseproben, fand ich auch ganz spannend.
00:24:06: Ja, aber tatsächlich schauen wir nochmal kurz tatsächlich auch so ein bisschen.
00:24:10: stärker noch mal ins Buch und letztlich natürlich auf deine Geschichte.
00:24:17: Natürlich der zentrale Satz.
00:24:18: Ich habe mich über nahezu alles Wichtige in meinem Leben geirrt.
00:24:24: Wie kam es denn am Ende auch zu dieser Einsicht?
00:24:28: Ja, das war ein langer Weg, muss ich sagen, weil ich das eben ... ganz lange nicht wollte.
00:24:34: Ich wollte nicht, dass das so ist, wie es war.
00:24:36: Und das bezieht sich jetzt gar nicht nur oder in erster Linie auf diese Übergriffe durch meinen Vater, den ich ausgesetzt habe, als ich ein sehr kleines Kind war, also zwischen zwei und drei Jahren, was einfach auch ein Grund ist, warum ich da jetzt so keine unmittelbaren Erinnerungen dran habe.
00:24:55: Aber ... Das Aufwachsen dieser ganzen Familie oder meines Lebens, an dem so viel normal war, dass ich mich daran wirklich auch so, das war ein bisschen, glaube ich, auch meine Überlebensstrategie, sich daran festzuhalten und daran durchzuhangeln.
00:25:12: Ich war eine beliebte Schülerin, ich habe viel Sport gemacht.
00:25:16: Es gab einfach vieles auf das Gut geklappt hat.
00:25:18: Und zu den vielen falschen Vorstellungen, die ich selber auch gehabt habe, gehörte irgendwie, dass ich dachte, ja, wenn es da wirklich sexuell ist.
00:25:26: Übergriffe gegeben hätte, dann wäre ich doch ein ganz anderes Kind gewesen.
00:25:30: Dann hätte ich doch jetzt sage ich es mal ein bisschen überzeichnet, aber ich habe es fast so empfunden.
00:25:35: Dann hätte ich doch den ganzen Tag heulend in der Ecke gesessen.
00:25:38: Und ich glaube, das gehört auch zu den Sachen, die so wichtig sind.
00:25:42: irgendwie mehr Leuten noch bekannt zu machen, dass Kinder eine Menge Unglück ertragen können, ohne dass es ihnen anzusehen ist.
00:25:51: Und das Verrückte ist, dass ich mich selber manchmal bei dem Gedanken ertappe, wenn ich irgendwie in der Nachbarschaft irgendwas sehe und denke, das macht mir einen komischen Eindruck.
00:26:02: Und dann denke ich trotzdem manchmal so, naja, aber das Kind macht ja irgendwie ein ganz ... ganz fröhlichen Eindruck.
00:26:09: Und ich glaube, dass es wichtig ist, sich das klarzumachen, dass wir so was denken, aber dass es keinen Aussage wert hat.
00:26:17: Das ist so ein Reflex, glaube ich, manchmal, den wir auch haben.
00:26:19: Wir wollen auch einfach nicht, dass es so ist.
00:26:22: Wir wollen nicht, dass irgendwie dieser netten Familie in der Nachbarschaft irgendwas gravierendes vorfällt.
00:26:28: Und ich glaube, wir müssen uns da auch nicht fürgeizeln, dass wir so einen Impuls haben.
00:26:34: Aber es ist wichtig zu begreifen, dass das nicht der letzte Schritt sein darf und dass wir dem auch nicht so wirklich wahnsinnig weit trauen dürfen.
00:26:42: Das
00:26:42: steckt ja ganz viel Herausforderung einfach da drin.
00:26:46: Sowohl auch für diejenigen, die natürlich gerne mit den Stereotypen arbeiten.
00:26:54: Eben das Kind, was sich zurückzieht, weint, einnässt, wie auch immer in der Ecke sitzt.
00:27:00: Das ist missbraucht und das ist eben nicht.
00:27:04: Es ist so vielschichtig und das ist sowohl für die, die hinschauen sollen, natürlich ein ganz wichtiger Aspekt.
00:27:16: Nicht nach den klassischen Bildern vorgehen wie der dunkle, schwarze Mann, der um die Ecke wartet auf einen.
00:27:24: Diese komischen Bilder gibt es ja teilweise immer noch.
00:27:28: und der Fremdtäter und so weiter.
00:27:31: Also diese Mythen halten sich ja ziemlich vehement.
00:27:37: Aber ja, und es ist ja auch gut zu sehen, dass es auch andere Geschichten gibt.
00:27:47: Und das finde ich spannend.
00:27:48: Macht es aber eben für alle Herausforderungen, sowohl für die, die betroffen sind, auch Gehör zu finden.
00:27:54: wie auch für diejenigen, die es vielleicht helfen könnten und entdecken sollten.
00:28:02: Du sprichst ja auch in dem Buch von der existenziellen Sprachlosigkeit.
00:28:07: Ich meine, das ist ja unserem Thema zentral inherent sozusagen.
00:28:18: Wie hast du das empfunden?
00:28:23: diese Sprachlosigkeit.
00:28:26: Und wann hast du gesagt, jetzt muss ich anfangen zu erzählen?
00:28:30: Also, was ich selber rückblickend eigentlich interessant finde, ist, dass ich ja gar nicht immer mich als sprachlos empfunden habe.
00:28:38: Irgendwie war immer so eine Wolke von Geräte und Geplappe um mich herum.
00:28:44: Und ich hab eben, und es gab so ein diffuses Unbehagen im Zusammenhang mit manchen Themen, also zum Beispiel mit diesen zwanghaften Selbstgesprächen, die ich geführt habe.
00:28:55: Und da hätte ich einfach gesagt, ja gut, davon kann ich nicht erzählen, weil das einfach zu peinlich ist.
00:29:01: Und das habe ich sehr, sehr lange auch so empfunden.
00:29:03: Und wie umfassend eigentlich die Sprachlosigkeit war, die in meiner, in meinem Fall, sag ich mal, vor allem auch ganz lange eine ganz umfangreiche Radlosigkeit war.
00:29:16: Das ist mir eigentlich erst rückblickend irgendwie klar geworden.
00:29:25: Das ist auch etwas, was ich selber interessant finde an dieser Auseinandersetzung mit dem Thema, dass Sprachlosigkeit eben ganz unterschiedliche Facetten auch hat und dass wir gar nicht immer merken.
00:29:38: müssen oder können, dass es da etwas gibt, über das wir nicht reden können.
00:29:43: Also das ist so die erste Vorstellung, die wir ja von Sprachlosigkeit haben.
00:29:46: Da ist jemand und der würde eigentlich gerne was erzählen, aber es fehlen ihm die Worte oder sie hat die Worte, aber traut es sich nicht, aber dass das schon eigentlich für sehr viel früher ansetzen kann in der Weise, dass wir eben selber gar nicht eine Vorstellung davon haben, dass da irgendwas ist, was wir vielleicht erzählen könnten oder dass dieses Wage unbehagen, was wir empfinden, dass das vielleicht was ist, was andere Menschen nicht haben.
00:30:13: Das sind ja alles Sachen, die erfordern irgendwie eine Entwicklung oder eine Reflexion oder was auch immer.
00:30:20: Und auch ein gewisses Alter, eine gewisse Reife, um die Erkenntnis dann zu finden.
00:30:26: Gab es eigentlich keine oder in der Rückschau Stellen, wo du vielleicht durch Impulse von außen vielleicht früher dazu gekommen wäre es, deine Geschichte zu erkennen und dann eben auch vielleicht Sprache zu finden, also sehr verklausuliert, hätte es vielleicht ein Präventionsprogramm in der Schule gebraucht oder eine Lehrkraft, die dich mal angesprochen hätte oder so, gab es solche Impulse?
00:31:04: Die gab's nicht.
00:31:07: Wobei es schon so war, dass mein Bruder, der sehr gekämpft hat für meine Schwester und mich und der auch mal mit seinem Grundschullehrer.
00:31:17: Aber das ist einfach, das ist jetzt irgendwie, ich weiß gerade nicht, fünf Jahrzehnte.
00:31:24: Wir reden einfach auch wirklich über noch eine ganz, ganz andere Zeit und das ist eigentlich großartig.
00:31:29: dass dieser Grundschullehrer das überhaupt ernst genommen hat damals und meine Eltern einbestellt hat und mit denen auch Tacheles geredet hat.
00:31:39: Also der hat mein Bruder auch geglaubt, der hat gesagt hier, das kann so nicht weitergehen, wobei die Konsequenz war dann letzten Endes nur.
00:31:47: Leider, dass meine Eltern meinen Bruder gezwungen haben, der musste sich vor uns aufbauen, vor uns allen und musste sich entschuldigen dafür, dass er so ein Junge war.
00:31:58: Also in den letzten Endes hat es nicht irgendwie einen positiven Effekt gehabt, außer den, und da bin ich sehr überzeugt, dass es für mich den positiven Effekt hatte, dass ich erlebt habe, dass mein Bruder ... dieser großen Verlorenheit, in der man sich ja befindet als Kind in diesen Situationen oder dadurch, dass die Eltern, diejenigen, die er Schutz und geben sollten, dass die einem Gewalt antun und eben nicht diesen Schutz bieten, dass mein Bruder aber irgendwie sozusagen ein Auge auf uns hatte und dass der so für uns gekämpft hat.
00:32:34: Das hat, glaube ich, für mich einen ganz großen Wert gehabt.
00:32:38: Und ich denke manchmal, wenn ich jetzt überlege, wieso ist es mir überhaupt dann zwar spät, aber überhaupt gelungen, aus dem ganzen Quark rauszukommen, dann glaube ich, dass das ein ganz wichtiger Aspekt war, dass so ein Glaube an etwas, dass es sowas wie das Gute gibt, dass der eben irgendwie überleben konnte.
00:32:58: Du schreibst ja auch oder vielmehr gehst darauf ein, dass deine dass du deine Geschichte zurückerobert hast.
00:33:09: Das finde ich auch einen sehr wichtigen Satz.
00:33:14: Sozusagen meine Geschichte schreibe ich selbst.
00:33:19: Das sieht sich ja quasi wie ein roter Faden ja auch durch das Buch.
00:33:23: Warum ist dir gerade dieses Zurückerobern so wichtig?
00:33:28: Ich glaube, es gibt vielleicht Menschen, einige wenige Menschen, mit denen das nicht so ist.
00:33:34: Aber ich glaube, dass das für die allermeisten Menschen zentral ist, dass sie die Deutungshoheit über ihre Geschichte haben und dass sie diejenigen sind, die besser als jeder andere weiß, was ihnen und mit ihnen passiert ist.
00:33:48: Und wenn das nicht vorhanden ist, weil die Geschichten... die dominanten, heutzutage sagt man im Kontext gerne Narrative, die erzählt werden, darüber wie es ist, Opfer von sexualisierter Gewalt zu sein und so weiter, einfach in einem Widerspruch stehen, im totalen Widerspruch stehen.
00:34:08: und wenn man sich irgendwie selber, wenn man sich selber nicht hinstellen kann, sein kann so.
00:34:15: Ich bin die und die und dazu gehört, dass mir das und das widerfahren ist und ich gehe damit so und so um.
00:34:20: dann ist das einfach ein wirklich, das ist nicht nur ein kleines Problem am Rande, sondern das ist ein zentraler Punkt, der unsere Identität ausmacht, indem wir, wir schaffen unsere Identität ja eigentlich erst dadurch, dass wir erzählen, wer wir sind.
00:34:35: Also, das Erzählen ist uns wirklich als etwas ganz Exaktenzielles eingeschrieben.
00:34:40: Das bedeutet gar nicht, dass wir es unbedingt... machen müssen, aber wir müssen das Gefühl haben, wir könnten es tun.
00:34:48: Und deswegen ist das, glaube ich, wirklich wahnsinnig wichtig.
00:34:51: Mir, und ich erlebe das ja auch, ich mache ja relativ viele Workshops, auch in denen autobiografisch geschrieben wird.
00:34:56: Und das ist einfachen, das erlebe ich immer wieder, auch in ganz anderen Kontexten, thematisch.
00:35:02: Das ist wichtig, dass Menschen für das, was ihnen wiederfahren ist und für ihre Vorstellung, wer sie sind, irgendwie eine Sprache finden.
00:35:11: Und das hat immer was auch mit, glaube ich, wirklich mit Rückeroberung zu tun.
00:35:15: Das
00:35:15: ist ja wahrscheinlich auch so die eine der zentralen Botschaften, die ja dann auch anderen Mut machen kann, sich selbst zu ermutigen und selbst bestimmt die Themen anzupacken.
00:35:34: Gab es denn im Schreibprozess eigentlich Momente, wo du gesagt hast, ja, Ich will auch abbrechen.
00:35:43: Oder sagst du, nee, da kam die Schriftstellerin durch.
00:35:49: Ich sag, ich zieh da ... Ich hab ein Abgabetermin.
00:35:53: Ich muss es dem Verlag liefern.
00:35:55: Nee, das gab's nicht, wobei ich mich ja grandios geirrt hab.
00:35:58: Ich hab, glaub ich, fast zehn ... es hat fast zehn Jahre gedauert.
00:36:03: Und ich glaube, nach ... Anderthalb Jahren habe ich begonnen zu denken, ich bräuchte noch ein halbes Jahr.
00:36:11: Das hat sich immer weiter wiederholt.
00:36:13: Es hat schon vier Jahre gedauert, bis ich überhaupt das erste Mal ans Ende gekommen bin.
00:36:19: Und dann hatte sich aber durch das Schreiben so viel verändert, auch in meinen Vorstellungen.
00:36:26: in meinen Vorstellungen von dem, was in den Text rein muss, dass ich eigentlich wieder von vorn beginnen musste.
00:36:31: Und das hat sich einfach mehrfach wiederholt.
00:36:33: Das Schreiben hat mich einfach immer wieder irgendwie auf neue Gedanken gebracht oder mein Bewusstsein verändert.
00:36:39: Und insofern war das dann tatsächlich schon ein länger Prozess.
00:36:43: Aber es war wirklich auch mein Gefühl war, dass das ist der Job, den ich erledigen muss, diesen Text zu schreiben.
00:36:53: Ja, deswegen war aufgeben keine Optionen.
00:36:57: Das hast du ja auch.
00:36:58: Ich erzähle nicht nur meine Geschichte, sondern auch Geschichten wie meine.
00:37:04: Und da klingt für mich so ein bisschen raus, dass es für dich brutal wichtig war, mehr als ein Buch zu schreiben.
00:37:11: Aber vielleicht interpretiere ich jetzt einfach zu viel.
00:37:13: Ich frage dich oder ... Was für dich jetzt einfach auch dieser Antrieb auch für andere etwas Wertvolles zu schaffen?
00:37:21: Auf jeden Fall.
00:37:21: Also ich hätte das, wenn ich das Gefühl gehabt hätte, dass ich da schreibe, das ist meine und nur meine Geschichte, dann hätte ich es nicht gemacht.
00:37:29: Also das ist aber, glaube ich, auch etwas, was ja überhaupt in Literatur, egal ob sie fiktiv oder autobiografisch ist, glaube ich, immer entscheidend ist, ob sich in dem konkreten Einzelnen irgendetwas Allgemeines spiegelt.
00:37:44: Und dann wird es interessant.
00:37:47: Und ich hatte sehr schnell das Gefühl, da konnte ich dann tatsächlich auch so ein bisschen mit so einem Schriftstellerinnenblick von außen drauf gucken.
00:37:55: Ich hatte schon das Gefühl, dass der Stoff, den ich da habe, dass der spannend ist und dass ich, wenn ich das nur irgendwie hinbekomme, dass das schon auch für andere interessant sein wird und dass es andere auch ermutigen wird.
00:38:10: Und zwar ... in mehrfacher Hinsicht.
00:38:12: Also einerseits, weil es für mich ja tatsächlich auch ein relativ gutes Ende genommen hat.
00:38:17: Mir geht es ja heute gut und das wird auch, glaube ich, in dem Buch irgendwie mache ich das ja sehr deutlich.
00:38:23: Ich glaube, das trägt auch dazu bei, dass es eben sich ganz gut und nicht so beschwerend liest, dass ich zu jedem Zeitpunkt deutlich mache.
00:38:31: Ich schreibe diesen Text von einem guten, sicheren Punkt aus und es geht mir gut in meinem Leben.
00:38:38: So, das ist, glaube ich, wichtig.
00:38:41: Genau.
00:38:41: Und andererseits ist es ermutigend, weil ich eben vormache, man kann auch bestimmte Sachen erzählen und man muss dann nicht irgendwie verscharm rot werden.
00:38:53: Also ich erzähle zum Beispiel auch von dieser Abhängigkeit zu der Therapeuten, die ich geraten bin.
00:38:58: Und das ist irgendwie auch so was, was mich lange beschämt hat.
00:39:01: Und ich hab dann aber irgendwie gesagt, um Gottes Willen, das darf doch nicht wahr sein.
00:39:04: Da hab ich so eine Scheiße erlebt.
00:39:06: Und dann gehört irgendwie zumindest zu der ... Therapie oder zu meinem Weg gehörte offensichtlich, dass ich irgendwie in dieser Abhängigkeit geraten bin, aber das ist doch irgendwie nicht im Ernst etwas für, dass ich mich schämen muss.
00:39:19: Und das sind so Sachen, glaube ich, die auch wirklich andere, auch jenseits des Missbrauchsthemas ermutigen.
00:39:26: Das bekomme ich einfach auch rückgemeldet.
00:39:29: Jetzt hast du ja gesagt, du gibst in Workshops bis viel unterwegs.
00:39:33: Ich nehme an, man kann dich auch anfragen.
00:39:37: Auf jeden Fall.
00:39:38: Gerne kleiner Werbeblock an der
00:39:40: Stelle.
00:39:40: Das ist nett, ja.
00:39:42: Genau, ich komme auch gerade, also wirklich zur Lesung komme ich total gerne.
00:39:47: Und es muss natürlich irgendwie ein Budget für ein Honorar geben.
00:39:50: Aber ich bin wirklich gerne mit diesem Text unterwegs.
00:39:53: Ich war jetzt vor ein paar Wochen ... zu einer ganz schönen Lesung in Schleswig-Holstein im kleinen Meldor, wo ich irgendwie dachte, hey, wer wird da kommen?
00:40:00: Und dann war das Sohn, das war der Peter Pantabuchler, der die ausgerichtet hat und mit der Gleichstellungsbeauftragten zusammen.
00:40:09: Und es war voll und es war so ein tolles Gespräch im Anschluss.
00:40:13: Und das macht mich wirklich froh.
00:40:15: Also, ich habe jetzt so lange an diesem Text gearbeitet und ich gehe gerne mit dem raus und komme mit Leuten ins Gespräch.
00:40:22: Wie gesagt, auch wirklich mein Andiegen ist, miteinander zu reden.
00:40:26: Also, liebe Zuhörende, wenn Sie eine Möglichkeit sehen oder das auch genauso spannend finden wie wir, Jutta Reichelt im Gespräch und bei einer Lesung natürlich zu hören, dann, wo können Sie denn schauen?
00:40:43: Ich nehme an, also wir nehmen die Webseite natürlich in die Caption, aber Einfach schauen.
00:40:48: Genau, aber man findet mich ja problemlos im Internet, den Verlag, der Grüner Verlag.
00:40:53: Also ist es auch immer ansprechbar.
00:40:57: Sehr gut.
00:40:59: Wir haben ja eine Rubrik, mit der wir unsere Sendung immer beenden.
00:41:04: Die heißt, neunundneunzig Sekunden für den Kinderschutz.
00:41:10: Darf ich vorher noch was anderes sagen?
00:41:12: Na klar, ja, gerne.
00:41:14: Eigentlich müsste ich ... Welche Frage hab ich vergessen zu stellen?
00:41:18: Also, jetzt bitte.
00:41:19: Okay, es gibt ... Ich bin ja ... ist ... was ich ... sowieso sehr mag und was ich aber auch für euer Thema, also für den Kinderschutz, irgendwie ein bisschen ... Also, einschlägig kommt mir jetzt ein bisschen angebrisch vor, aber wichtig finde.
00:41:33: Und das heißt, Kinder sind Kollaborateure.
00:41:36: Und ich versuch in dem Kapitel ... so ein bisschen ... für die Position oder für die Perspektive von Kindern zu werben.
00:41:45: Und es hat mich unheimlich gefreut bei dieser Lesung, wie ich eben erwähnt habe, da war eine Frau im Publikum und die hat gesagt, dass sie schon ganz lange in dem Bereich arbeitet und dass sie ihn noch nie verstanden hat, warum Kinder da immer wieder hingehen an diese Orte, wo sie sexualisiert Gewalt erleben.
00:42:04: Und jetzt hat sie es zum ersten Mal verstanden und das hat mich so froh gemacht.
00:42:07: Und deswegen, also ich finde, dass ... wir einfach auf ganz unterschiedlichen Ebenen und Themen bereichen.
00:42:16: Wir müssen einfach mehr darüber reden.
00:42:19: uns austauschen.
00:42:20: Genau, das wollte ich einfach gerne noch sagen.
00:42:23: Bist total gut.
00:42:23: Hätte tatsächlich auch in die in die neun neunzehn Sekunden super
00:42:27: reingepasst.
00:42:28: Aber
00:42:29: alles gut.
00:42:30: Alles gut.
00:42:31: Ich gebe sie dir gerne noch mal.
00:42:32: Aber ich hatte so einen Gedanken, weil das passt jetzt ja, was du eben gesagt hast, tatsächlich zu dem Kern des Podcasts, dem Thema Kinderschutz.
00:42:44: hätte mir wahnsinnig gewünscht, ob du vielleicht noch den Menschen was sagen könntest, die so ganz am Anfang stehen, ihre eigene Geschichte auch zu entdecken oder drüber nachdenken, diese zu erzählen.
00:42:58: Das hatten wir auch so ein bisschen am Anfang, was du denen vielleicht noch so mitgeben kannst.
00:43:04: Also was ist ja immer so ein bisschen, wenn man auf die eigene Geschichte guckt, dann denkt man, ach ... Also im Nachhinein, wenn ich auf meine Geschichte gucke, dann habe ich unglaublich viel Energie immer in die Frage verwendet, was ist denn eigentlich genau passiert und kann ich mir das vorstellen.
00:43:28: Und das zu einem Zeitpunkt, wo ich schon lange wusste, dass es nicht gut war, wie es war in meiner Familie.
00:43:36: Also, daran gab es gar keinen Zweifel.
00:43:39: Und es gab gar keinen Zweifel, dass es massive emotionale Vernachlässigungen gab.
00:43:43: Und es gab keinen Zweifel, dass es sexuelle Übergriffe gab, die man als Schwester gegolten haben.
00:43:47: Und trotzdem gab es so ein Gefühl, ich muss es genau wissen.
00:43:52: Und erst dann kann ich irgendwas verstehen, kann vielleicht auch so was wie ... Also Heilung, finde ich, ein schwieriger Begriff, aber irgendwie in der Verbesserung.
00:44:02: Und das war im Nachhinein ... würde ich mir wünschen, dass ich früher vielleicht ein bisschen früher hätte denken können, okay, es war egal, wie es genau war, es war nicht gut.
00:44:14: Und jetzt guck ich mal, wie komme ich da raus.
00:44:18: Und trau mir einfach auch mal, mir und mein Geschwistern, dass es so war.
00:44:23: Und muss dann nicht ums letzte fitzlichen Detailfitzlichen irgendeiner Szene ringen.
00:44:31: Vielen Dank, liebe Jutta.
00:44:35: Mein Leben war nicht, wie es war.
00:44:37: Dieser Podcast war genau richtig, wie er war, würde ich meinen.
00:44:42: Und ich habe mich riesig gefreut, dass wir sprechen konnten und wünsche ganz, ganz viele Lesungen und natürlich Buchverkäufe.
00:44:55: Und danke dir ganz herzlich und an die Zuhörenden da draußen.
00:44:59: Danke, dass Sie hingehört haben.
00:45:02: Das war der Kinderschutz Podcast der deutschen Kinderschutz-Schriftung Hänsel und Gretel mit Jerome Bauen.
00:45:10: Damit wir alle besser hinhören und mehr verstehen.
00:45:14: Wollen Sie mehr hinhören, dann abonnieren Sie unseren Kinderschutz-Podcast überall da, wo es Podcasts gibt und unter kinderschutz-podcast.de.